Großartige Erwartungen an Ghana und mein Projekt hatte ich eigentlich keine. Mein einziger Wunsch war, dass es eine aufregende Zeit mit einmaligen und unvergesslichen Erfahrungen wird. Über das Land an sich dachte ich nicht nach, vielmehr über die Menschen und die Kultur und inwieweit ich mich dieser völlig fremden Welt öffnen und sie annehmen könnte. Bezüglich meines Projektes hoffte ich, dass meine Arbeit dort den Kindern ein klein wenig Freude schenkt, sie vielleicht im Leben weiterbringt und mir unvergesslich schöne Momente beschert. Ich bin naiver Weise davon ausgegangen, dass Kinder in einer Straßenschule lernen wollen, froh sind zur Schule kommen zu dürfen und gerne am Unterrichtsgeschehen teilnehmen. Leider ist dies nicht immer so. Die Kinder sehen oft in ihrer kindlichen Denkweise nicht den Sinn der Schule oder was für einen Nutzen sie für ihre Zukunft haben könnte. Die meisten Schüler arbeiten nachmittags und überlegen jeden Tag wie sie die nächsten überleben können. In ihrem täglichen Alltag, in welchem sie jeden Tag aufs Neue um ihre Existenz kämpfen, brauchen sie nicht zwingend die Dinge, die sie in der Schule lernen. Aber eigentlich liegt ja auch genau darin die Herausforderung für die Praktikanten: Den Kindern den Sinn der Schule und von Bildung zu erklären und sie zum Lernen motivieren. Auch war ich sehr erschreckt darüber, wie wenig Materialien die Schule hat und dass sie in Krisenzeiten (manchmal bis zu einer Woche) noch nicht mal Wasser und Essen für die Kinder anbieten kann. Natürlich wusste ich, dass die Schule eine Straßenschule ist und nicht über Reichtümer verfügt, aber dennoch stellte ich sie mir als Auffangbecken für arme Kinder vor. Leider kann sie das nicht jeden Tag sein. In der Schule selbst fühlte ich mich sehr wohl, von den Angestellten und den Kindern gleichermaßen gemocht und akzeptiert. Es ist so schön zu sehen, wie die Kinder sich freuen, dass man jeden Tag kommt, sich um sie kümmert und sich Zeit für sie nimmt. Mich hat es sehr erstaunt, wie viel Liebe, Nähe und Zuneigung die Kinder einfordern und brauchen. Sie in den Arm zu nehmen und dann ihre großen, glücklichen Augen zu sehen ist so unbeschreiblich schön.
Ja und so sah ein typischer Arbeitstag für mich aus:
Ich bin morgens immer schon sehr früh aufgestanden um die Ruhe und das Erwachen des Tages noch genießen zu können. Nach dem Frühstück und dem allmorgendlichen Gesprächen mit den anderen Mädels im Haus machte ich mich etwa um 7.30 Uhr auf den Weg zur Arbeit. Die TroTro-Fahrt jeden morgen durch das Verkehrschaos war immer sehr, sehr aufregend und lustig. Obwohl die Strecke immer die gleiche war, gab es jeden Tag etwas Neues zu beobachten. Meist kam ich so zwischen 8.30 und 9.00 Uhr in der Schule an und redete noch mit den anderen Angestellten und Freiwilligen. Um 9.00 Uhr, nach der Assembly, fing der Unterricht an. Wir unterrichteten Englisch, Reading und Mathematik. Mit den anderen Freiwilligen haben wir eng zusammengearbeitet und versucht einige europäische Unterrichtsstile einzuführen, was uns auch gelungen ist. Wir teilten die Kinder entsprechend ihrer Leistungen in Gruppen ein und unterrichteten differenziert. Darüber hinaus versuchten wir erstmals eine Leistungsfeststellung. Unsere Unterrichtsmethoden zielten auch nicht nur mehr auf das favorisierte Auswendiglernen, sondern wir versuchten mit allen Sinnen und abwechslungsreichem Wiederholen zu lernen. In den Sportstunden spielten wir mit den Jungen Fußball und malten meist mit den Mädchen. Nach dem Mittagessen, welches wir gemeinsam mit den Kindern in der Schule aßen, hatten wir noch bis 13.30 Uhr Unterricht. In der letzten Stunde waren die Kinder meist nicht mehr so konzentriert und wir mussten uns viele abwechslungsreiche Verfahren einfallen lassen um sie zu motivieren. Viel Zeit in den Unterrichtsstunden verwendeten wir auch darauf die soziale Komponente zu stärken, indem wir Klassenregeln einführten und sie immer wieder darauf hinwiesen, aufzuzeigen und nicht den anderen dazwischen zu sprechen. Eigentlich Dinge, die bei uns normal sind. Während den Schulstunden blieb immer genügend Zeit mit den Kindern zu spielen oder nette und aufschlussreiche Gespräche mit den anderen Angestellten zu führen. Das Arbeitsklima war echt toll. Nach der Arbeit blieben wir noch oft etwas länger in der Schule und erstellten Hausaufgabenblätter für die Kinder. Dann gingen wir meist noch ein paar Dinge auf verschiedenen Märkten einkaufen und waren häufig erst so gegen 16.30 Uhr nach einer aufregenden TroTro-Fahrt wieder zuhause. Dann haben wir noch zusammen gesessen, Tagebuch geschrieben, waren im Internet, haben Wäsche gewaschen oder zusammen gekocht. So zwischen 21 und 22 Uhr ist man nach einem erlebnisreichen Tag erschöpft ins Bett gefallen.
Während meiner Zeit als Freiwillige habe ich so viele Erfahrungen gesammelt, dass man sie gar nicht alle aufzählen kann. Für mich selbst habe ich festgestellt, dass diese Menschen, obwohl sie weniger im Leben besitzen als wir in Europa, viel glücklicher und zufriedener sind. Ihre Ehrlichkeit, Offenheit und Freundlichkeit hat mich so beeindruckt, dass mir vor allem diese Qualitäten wieder zurück in Deutschland ganz ungemein fehlen. Europäisches, anonymes Leben ist nicht mit der Farbenvielfalt, der Fröhlichkeit und der Freundlichkeit von afrikanischer Kultur zu vergleichen. Auch habe ich bemerkt, dass man den ganzen deutschen Luxus und viele Luxusgüter gar nicht braucht, dass vieles bei uns einfach oberflächlich ist und wir uns oft um total unwichtige Dinge Gedanken machen. Das, was wirklich wichtig ist, findet man erst in Afrika und lernt es zu schätzen.
Das wayers-Home war super und zu den anderen Freiwilligen, mit denen ich zusammenlebte, hatte ich auch sehr guten Kontakt. Ghana ist ein tolles Land, mit der Kultur und den Einheimischen bin ich auch gut zu Recht gekommen.
Ghanaer sind so unglaublich freundliche Menschen, die offen auf mich zukamen, mich so akzeptierten wie ich bin und sich sehr interessiert für meine Welt und meine Ansicht über Ghana zeigten. Obwohl sie selbst so wenig haben, sind sie so oft bereit gewesen, materielle Dinge mit mir zu teilen bzw. sie mir anzubieten (Essen, Schlafplatz, etc.). Wenn man nach dem Weg fragt, erklären sie ihn nicht umständlich, sondern begleiten einen zum richtigen Ort. Sie haben immer für ein nettes Gespräch Zeit und freuen sich, wenn man sich für ihr Land und ihre Kultur begeistert. Ich habe so oft mit Menschen geredet, die sich einfach nur für mich interessierten und freundlich waren ohne eigennützige Zwecke zu verfolgen, was man ihnen ja oft nachsagt. Sätze, wie „you are welcome“ oder „you are invited“ vermisse ich schon sehr in Deutschland.
In meiner Freizeit habe ich viele Dinge erlebt. Nachmittags nach der Arbeit waren wir meist auf Märkten und sind ganz eingetaucht ins afrikanische Alltagsleben. Den Abend verbrachte ich meist total erschöpft von Arbeit, Markt und Hitze mit den anderen Mädels bei netten und lustigen Gespräche zuhause. Ich war fast jedes Wochenende auf Reisen. Einmal war ich sogar für 10 Tage weg und habe den Norden des Landes erkundet. An den Wochenenden war ich einmal in Cape Coast und im Kakum National Park, ein zweites Mal in Elmina und ein drittes Mal im Osten des Landes bei den Wasserfällen und der Volta-Mündung. Kürzere Ausflüge am Wochenende waren zum Beispiel der Botanische Garten. Auch sehr interessant waren das Nationalmuseum, das ziellose Schlendern durch die Hauptstadt und eine Stadtführung durch Accra selbst mit zwei ghanaischen Freunden; dann sieht man die Stadt noch mal aus einem ganz anderen Blickwinkel. Auch sehr schön war es, sonntags zum Kokrobitey Beach zu fahren und am Strand zu entspannen und das Meer zu genießen. Langweilig ist es mir nie geworden und das Land hat so viel zu bieten, dass ich immer noch nicht alles gesehen habe.
Es gab so viele schöne Momente, dass ich sie gar nicht alle aufzählen kann. Aber oft sind es einfach nur Kleinigkeiten, die man sich behält. Es ist so schön, wenn einen ein Kind mit großen Augen anschaut und anlächelt, wenn man ihm sagt, dass es etwas gut in der Schule gemacht hat. Es sind die Kinder auf der Straße, die einem „Obruni“ hinterher rufen und dann auf einen zugelaufen kommen und in den Arm genommen werden wollen. Es ist die Freundlichkeit der Menschen, die einem immer wieder sagen, dass man willkommen ist. Wenn man etwas mehr als normal einkauft, schenken einem die Verkäufer noch so oft etwas dazu. Als wir einmal nachts um 23.30 Uhr in einem Hotel ankamen, hat uns die Bedienung noch, obwohl Stromausfall war, ein komplettes Essen gekocht. Und die Schönheit und naturelle Vielfalt des Landes ist einfach unbeschreiblich.
Die Organisation von deutscher Seite aus fand ich eigentlich sehr gut und zuverlässig. Gewünscht hätte ich mir bessere Tipps, zum Beispiel hinsichtlich der Kleidungsfrage und der medizinischen Versorgung. Es ist nämlich nicht so wichtig Arme und Schultern bedeckt zu haben, vielmehr kommt es auch auf Bauch und Rücken an. Nur helle Kleidung mitzunehmen ist auch nicht so gut, da man die nie wieder sauber bekommt und vielleicht zur Arbeit lieber dunklere Kleidung trägt, damit man nicht dreckig ausschaut. Unsere Betreuer, vor allem Daniell, waren immer und jederzeit für uns erreichbar und haben uns bei allen Fragen und Problemen weitergeholfen. Einen ghanaischen Betreuer zu haben fand ich so gut, denn er kennt sich wirklich mit der Kultur aus und konnte uns auch bei allen Fragen weiterhelfen. Er nahm sich immer Zeit für uns. Die Koch-, Tanz- und Trommelstunden mit ihm waren immer sehr interessant. Die Einführung durch das Team vor Ort war echt sehr gut. Sie haben mir die wichtigsten Plätze und Orte gezeigt, mir meine Ängste genommen und mich immer begleitet, wenn ich mir unsicher war. Dank Daniell bin ich schnell in das ghanaische Leben hineingewachsen.
Mein Aufenthalt in Ghana war die beste Entscheidung! Ich hab soviel dort für mich selbst gelernt, dass ich mich von vielen oberflächlichen und materiellen Dingen in Deutschland ganz entfernt habe. Die normalen menschlichen Qualitäten werden in Ghana tatsächlich gelebt und geben den Worten wieder einen Sinn. Ich selbst kann Ghana und meine Zeit dort nicht vergessen und denke jeden Tag mit so viel Freude daran. Irgendwie hab ich noch immer Heimweh nach dem absolut faszinierenden Land, der herzlichen Kultur, der turbulenten Stadt, „meinen“ süßen Kindern und den vielen neuen Freunden. Natürlich gab es auch schwere und für mich unverständliche Momente, in denen ich viel geweint habe, aber, auch wenn es kitschig klingt, ein Kinderlachen kann soviel wieder gut machen.
Ich rate jedem, einfach nur offen und neugierig zu sein. Geht auf die Menschen zu und zeigt euer Interesse, dann werden sie euch alle nur erdenkliche Freundlichkeit entgegen bringen. Versucht die Kultur mitzuerleben (mit Fingern essen, TroTro fahren, selbst waschen, auf der Straße zu essen, etc.), dann werdet ihr euch als Teil davon fühlen und von den Menschen mit offenen Armen empfangen werden. Standards, welche man in Deutschland gewohnt ist, gibt es in Ghana nicht immer, aber wenn ihr euch auf alles einlasst, werdet ihr sie auch gar nicht brauchen. In Ghana lernt man, wirklich glücklich und zufrieden zu sein! In der Schule bzw. in euren Projekten zeigt euer Engagement. Oft werdet ihr nicht um Hilfe gefragt, wenn ihr euch aber engagiert selbst miteinbringt, werden sie gerne eure Hilfe annehmen, euch miteinbeziehen und viel Spaß haben. Natürlich gibt es auch immer wieder Dinge und Situationen, die man nicht versteht und nicht akzeptieren und tolerieren möchte, aber das verlangt auch niemand von euch. Auch ich bin oft an meine Grenzen gestoßen und habe viel geweint, aber es ging immer weiter. Es ist nicht immer alles schön und wunderbar, aber das macht es aus. Ich glaube man muss da gewesen sein um das alles nachfühlen zu können. Grippe ist übrigens sehr wahrscheinlich, man sollte immer Medikamente dagegen dabei haben.