Nach den Einführungstagen begab ich mich auf die Reise nach Pokhara, einer Stadt am Fuße des Annapurnamassivs. Dort absolvierte ich in einem großen Krankenhaus inmitten der Stadt mein Praktikum. Zu Beginn war alles ein bisschen überwältigend. Ich staunte über das nepalesische „keep it cheap“. Da es in Nepal keine Krankenversicherung gibt, müssen die Behandlungen so billig bleiben, dass sie sich die Patienten leisten können.
Im großen Gegensatz zu uns werden in Nepal die Patienten von ihren Verwandten betreut, die Tag und Nacht für das Wohl des Kranken sorgen. Sie kaufen die Medikamente in der Apotheke, bringen die Blutproben ins Labor und besorgen das Essen für die Patienten. Im Kontrast zu unserer Wegwerfgesellschaft sah ich viele Varianten der Wiederverwertung. So werden beispielsweise die im Operationssaal gebrauchten Handschuhe gewaschen, getrocknet und als Einweghandschuhe wieder verwendet.
Das Abhandensein von Venenstauschläuchen wird einfach und unkompliziert durch einen Handschuh, einen Gummischlauch oder bei großer Eile sogar durch den Infusionsschlauch überbrückt. Alle waren sehr freundlich zu mir.
Ich staunte über den Eifer der nepalesischen Ärzte. Es gibt kaum einen Arzt, der nur in einem einzigen Krankenhaus arbeitet. Die meisten Ärzte arbeiten nach meinen Schätzungen um die 70 Stunden pro Woche in rund zwei bis drei Spitälern. Auch an Samstagen, dem nepalesischen Feiertag, bei Streiken oder an Festtagen haben die Ärzte nicht frei. Falls ein Krankenhaus nicht offen hat, wird einfach in einem anderen weitergearbeitet.
Dementsprechend waren auch meine Arbeitstage um die 11 Stunden lang. Es war sehr anstrengend, hat sich aber durchaus gelohnt. Ich durfte viel zusehen und im Verlaufe der Zeit auch immer mehr nach dem Motto „learning by watching“ mithelfen.
Die Kommunikation reichte von Englisch über mein bescheidenes Nepali bis hin zu Zeichensprache. Dabei kam es natürlich zu einigen kleinen Missverständnissen, die beispielsweise dazu geführt haben, dass ich ein zweites Mittagessen serviert bekommen habe oder zweimal Schokolade bringen durfte. Aber im Großen und Ganzen ging die Verständigung erstaunlich reibungslos.
Ein ganz besonderes Highlight war die Geburtstagsparty von Binita, einer Krankenschwester aus dem Spital. In Nepal beginnt eine Geburtstagsparty mit dem Kuchen, von dem das Geburtstagskind Stücke abschneidet und den eingeladenen Gästen in den Mund schiebt. Erst danach wird der Hauptgang verspeist und die Geschenke ausgepackt. Es war interessant zu sehen, dass die Nepalesen eigentlich die selben Dinge am Geburtstag machen wie wir, nur in einer anderen Reihenfolge.