Eine tolle Zeit haben und ganz neue Erfahrungen machen, das waren meine Vorstellungen. Das war eigentlich die einzige Erwartung, die ich vor meinem Abflug hatte. Ich hatte mir vorgenommen, den Reiseführer gründlich zu wälzen, um nicht völlig unvorbereitet in Ghana zu landen, doch dieses Vorhaben wurde weiter und weiter aufgeschoben, sodass ich schließlich erst im Flugzeug ein bisschen zum Lesen gekommen bin. Einerseits gut, denn so bin ich ganz offen an alles herangegangen und hatte keinen Kulturschock. Andererseits ist es aber schon von Vorteil, einige Sachen über Land und Leute zu wissen, um sich nicht aus Versehen daneben zu benehmen. So wusste ich bei meiner Ankunft, dass die linke Hand als unrein gilt und somit auf keinen Fall benutzt wird, um anderen etwas zu geben – zumindest theoretisch; an der konsequenten Umsetzung scheiterte es dann doch. Und mal ehrlich: man freut sich doch immer, wenn man etwas wiedererkennt, von dem man schon gelesen hat (wie z.B. den Handschlag mit Finger schnipsen), oder?
Mein Aufenthalt in Ghana an sich hat mir sehr gut gefallen. Mit den anderen Freiwilligen in einem Haus leben und gemeinsam Accra und andere Teile des Landes entdecken, an den Straßenständen einkaufen, Trotro fahren oder einfach die freie Zeit am Strand genießen, das war toll. Vieles wird mir für immer in Erinnerung bleiben. Während man hier in Deutschland die Kinder zum Spielen ins Freie schicken würde, gerade wenn man wenig Geld für Spielzeug hat, müssen sie in Ghana den ganzen Tag in einem kleinen Raum sitzen, damit es einfacher ist, auf sie aufzupassen. Sie lernen schon in diesem jungen Alter das Alphabet, die Zahlen von 1 bis 100, die Farben, Lesen und Schreiben. So ganz klappt das aber nicht. Denn auf Grund der Sprachbarriere (für die meisten Kinder ist Englisch nicht die Muttersprache), verstehen viele den Sinn der Aufgaben nicht und ahmen nur die Laute nach, die ihnen vorgesprochen werden. Dieses Auswendiglernen ohne Hintergrund wirkt für uns natürlich sinnlos und wir möchten es ändern, es besser machen. Man sollte sich außerdem auf jeden Fall bewusst machen, dass es in Ghana in vielen Schulen/Kindergärten üblich ist, dass die Kinder geschlagen werden – und zwar nicht nur, wenn sie etwas ausgefressen haben, sondern teilweise auch für falsche Antworten. Meine Lehrerin ließ da auch nicht mit sich reden – alles was ich machen konnte, war die weinenden Kinder zu trösten. Ich war insgesamt nur 4 Wochen im Projekt. In so kurzer Zeit konnte ich natürlich wenig bewegen und es ist auch verständlich, dass sie in einer Schule mit ständig wechselnden Freiwilligen, nicht jedem einzelnen die Freiheit geben können, mit den Kindern zu machen, wozu sie gerade Lust haben. Deshalb war es in Ordnung, so wie es war.
Als wir (ich war zusammen mit zwei anderen Mädchen in einer Schule eingeteilt) an unserem zweiten Tag der Direktorin vorgestellt wurden, sagte sie uns, wir müssten morgens um 6:30 Uhr kommen, um die Klassenräume zu putzen und Wasser für die Kinder zu holen. Da das aber bedeutet hätte, dass wir schon um 4:30 hätten aufstehen müssen, haben wir ihr mit Hilfe unserer Koordinatorin erklärt, dass das nicht geht. Wir sind dann immer ungefähr um 6:00 aufgestanden, haben in Ruhe geduscht und gefrühstückt und uns dann auf den Weg ins Projekt gemacht, wo wir, je nach Verkehr zwischen 7:30 und 8:00 eingetroffen sind. Dann haben wir gewartet, bis nach und nach alle Kinder eingetroffen sind und der Unterricht beginnen konnte. Während unsere Lehrerin die Hausaufgaben kontrollierte, rief sie immer wieder Wörter oder Halbsätze in den Raum, woraufhin die Kinder begannen, das Alphabet und die Zahlen aufzusagen oder Bibelstellen und Gedichte zu zitieren. Manchmal durften wir auch Lieder mit den Kindern singen. Dann suchte sie eine Aufgabe für den Tag aus und gab mir oder der anderen Freiwilligen das Heft, damit wir die Aufgabe an die Wand (eine Tafel gab es nicht) schreiben konnten. Um 9:00 Uhr begann der schönste Teil des Vormittags: die Frühstückspause. Das war der Moment, wo wir ein bisschen mit den Kindern spielen konnten und oft auch unsere Kamera gezückt haben, um ein paar Fotos zu machen. Danach ging es erst richtig los: Die Lehrerin erklärte die Aufgabe an der Tafel, dann versuchten die älteren Schüler mehr oder weniger erfolgreich, sie in ihre Hefte abzuschreiben – oder besser zu malen, denn eigentlich konnten sie ja noch gar nicht schreiben. Nur für die Kleinsten durften wir das übernehmen. Je nachdem, wie umfangreich diese Aufgabe war, hatten wir nach dem Abschreiben noch unterschiedlich lange Zeit, uns mit ein paar Kindern zusammenzusetzen und ihnen bei ihrer Arbeit zu helfen. Das war ziemlich anstrengend, doch man kann auch sehr stolz auf sich sein, wenn man es geschafft hat, einem Kind etwas so erklären, dass es die Aufgabe wirklich verstanden hat und umsetzen kann. Zu guter Letzt mussten wir noch einmal die gleiche Aufgabe in alle Hausaufgabenhefte schreiben, damit die Kinder das Gelernte zu Hause noch einmal wiederholen können. Um ca. 12:00 Uhr haben wir uns wieder auf den Rückweg zum Haus gemacht. Unterwegs haben wir noch schnell frisches Obst oder Fried Rice am Straßenstand gekauft, sodass wir nicht kochen mussten. Nachmittags haben wir es dann meist ruhig angehen lassen. Manchmal sind wir noch zum Strand oder ins Stadtzentrum gefahren, manchmal sind wir auch einfach im Haus geblieben und haben gewaschen oder Tagebuch geschrieben.
In Ghana habe ich gelernt, wie wichtig es für kleine Kinder ist, die Sprache, in der unterrichtet wird, auch wirklich gut zu sprechen und zu verstehen. Denn das ist, glaube ich, ihr größtes Problem. Sie verstehen nicht, was sie da so fleißig aufsagen, können daher auch die Aufgaben nicht richtig bearbeiten und machen nur langsam Fortschritte. Das sind Grundlagen, die für uns immer ganz normal wirken, und ein gutes Beispiel dafür, dass man solche Dinge in vielen Teilen der Welt eben nicht voraussetzen kann. Sich das vor Augen zu führen ist, denke ich, sehr wichtig, um die Entwicklung und Probleme in anderen Länder verstehen zu können. Das war natürlich bei Weitem nicht alles, was ich in Ghana fürs Leben gelernt habe, doch es ist das Offensichtlichste. Es waren viele kleine Dinge, die täglichen Eindrücke, die meinen Aufenthalt in Ghana zu einer einzigen großen Erfahrung gemacht haben, die so viele Seiten hat, dass ich sie gar nicht beschreiben kann und mir noch nicht wirklich bewusst ist, was mir davon wie in meiner Zukunft weiterhelfen wird. Die ghanaische Kultur und Lebenseinstellung unterscheidet sich wirklich sehr von unserer. Alles ist viel lockerer: man kommt generell immer mindestens eine halbe Stunde zu spät und auf der Straße wird man einfach so von Fremden in ein Gespräch verwickelt.
Bevor ich nach Ghana geflogen bin, habe ich allen noch erzählt, ich würde wahrscheinlich kaum reisen, weil ich ja nicht lange dort bin und mit meinen noch 17 Jahren sicher auch nicht einfach mal so über Nacht wegbleiben darf. Solange ein volljähriger Freiwilliger dabei ist, ist das aber gar kein Problem und der von wayers organisierte 2-tägige Ausflug nach Cape Coast hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich Lust hatte, auch andere Teile des Landes zu sehen. So war ich bei den Wli-Wasserfällen, im Shai-Hills-Nationalpark und habe eine kleine Tour durch den Norden gemacht. Außerdem bin ich unter der Woche nach Accra rein gefahren, um mir den Independance Square anzusehen, ins National-Museum zu gehen und durch das Arts Center zu schlendern.
Ich kann gar nicht genau sagen, was mein schönster Moment war. Als wir nach einem anstrengenden Aufstieg am oberen Wasserfall der Wli-Waterfalls angekommen waren? Als ich ein kleines Mädchen aus meinem Projekt, das von der Lehrerin geschlagen wurde, weil sie die Bilder nicht ausgemalt hat, auf meinem Schoß sitzen hatte, ihre Hand genommen und mit ihr zusammen ausgemalt habe, bis sie schließlich verstanden hatte, was sie tun sollte? Die vermeintliche Trotro-Fahrt von den Shai Hills nach Hohoe, auf der der Wind so schön durch das wie immer offene Fenster hereingeweht ist und auf der ich mich so frei gefühlt habe? Oder die Safari durch den Mole-Nationalpark, auf der wir Elefanten gesehen haben? Ich kann mich nicht entscheiden.
Gleich am Flughafen wurden wir vom Team vor Ort überschwänglich begrüßt und lernten unsere ersten Wörter Twi. Sie waren alle so nett und gut gelaunt, dass man sofort Lust bekam, auch andere Ghanaer kennenzulernen. Auch während unseres gesamten Aufenthalts kam fast täglich jemand im Haus vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. So hatten wir unsere Freiheiten, hatten aber bei Fragen trotzdem immer einen Ansprechpartner.
Es war auf jeden Fall eine gute Idee, nach Ghana zu gehen und dort einige Wochen zu verbringen. Ich habe einen guten Eindruck vom Leben und der Kultur dort bekommen und hatte eine wunderschöne Zeit.
Gerade wenn man nur sehr kurz im Land ist, sollte man versuchen, alles zu probieren und alles zu sehen, was es zu sehen gibt!