Mein Alltag sah für gewöhnlich so aus, dass ich von acht bis zwölf Uhr gearbeitet habe und anschließend Freizeit hatte, die man je nach Belieben ganz unterschiedlich gestalten kann. Ich habe oft was mit Freund*innen unternommen, die Stadt erkundet, Sport gemacht, an den wöchentlichen Aktivitäten teilgenommen oder mich in Cafés gesetzt.
Mein Arbeitsalltag hat abhängig von der Klinik, in der ich war, ein wenig variiert. Während meiner ersten 6 Wochen war ich in einer privaten Klinik, in der hauptsächlich ausländische Patient*innen behandelt wurden. Dort habe ich abhängig von dem Beriech, in dem ich gerade tätig war, bei den Untersuchungen assistiert, mir Operationen angeschaut, Tests im Labor durchgeführt oder die typischen Krankheiten erklärt bekommen.
In der öffentlichen Klinik, in der ich erst anfangen konnte, nachdem meine Spanischkenntnisse ein wenig besser geworden waren, haben sich meine Aufgaben dann nochmal geändert. Ich habe viele Routineuntersuchungen durchführen können (vor allem bei kleinen Kindern), in Schulen und bei Impfkampagnen auf der Straße geimpft und bei der Dokumentation geholfen.
Es wurde sich immer bemüht, Aufgaben zu finden und einen einzubeziehen, wenn man sich engagiert gezeigt hat. Der Arbeitsumfang entsprach zwar nicht ganz dem, was ich erwartet hatte, aber es war trotzdem eine tolle Erfahrung, das Gesundheitssystem vor Ort kennenlernen zu können und ich habe auch einiges gelernt.
An den Wochenenden habe ich immer mal wieder Ausflüge in der näheren Umgebung gemacht und ein oder zwei Mal auch längere Reise in andere Städte Perus. Die Klinik und die Organisation waren da zum Glück sehr flexibel, sodass ich einige Tage frei bekommen konnte, um bspw. den Salkantay Trek zu machen oder nach Lima, Huaccachina, Arequipa oder Puno zu fahren. Man kann auf jeden Fall sehr viel machen, sodass einem niemals langweilig werden wird an den Wochenenden – egal, ob als gebuchte Tour oder auf eigene Faust.
Ich habe mich zu jeden Zeitpunkt sehr wohl gefühlt und in dem halben Jahr während meines Aufenthalts in Peru, trotz einiger kleinen Zwischenfälle, ein temporäres Zuhause für mich finden können.
Die Unterkunft war hat alles geboten, was man brauchte. Die Bemühungen des Teams vor Ort, den bestehenden Standard aufrecht zu erhalten, haben durch viele Anpassungen zwar dazu geführt, dass man zeitweise auf einer Baustelle gewohnt hat, aber wenn man sich in Erinnerung gerufen hat, was der Zweck dahinter war, konnte man auch damit für einige Wochen gut zurechtkommen. Abgesehen davon ist zwar ab und zu das Wasser ausgefallen, man hatte keinen Strom mehr oder hat auch teilweise mit einer Ratte gelebt, aber auch in diesen Bereichen war das Team vor Ort sehr bemüht, die Probleme möglichst schnell zu lösen.
Als Vegetarierin ist es in Peru grundsätzlich etwas schwierig mit dem Essen- vor allem mit den traditionellen Gerichten – aber in den Restaurants findet man immer auch eine vegetarische Option, wenn man nett nachfragt, und ansonsten kocht man ja selbst, wobei man ohnehin selbst bestimmen kann, was man essen und einkaufen möchte.
Sicherheitstechnisch habe ich mich besonders in Cusco nie wirklich unsicher gefühlt. Man sollte zwar sensibel dafür sein, dass die Sitten in Südamerika andere sind, als wir es vielleicht gewohnt sind, und man besonders als europäisch aussehendes Mädchen (blonde Haare, blaue Augen, groß) viel Aufmerksamkeit bekommt, da man einfach auffällt, aber grundsätzlich braucht man sich nicht zu viele Sorgen zu machen.
Es gab so viele besondere Momente, dass ich mich gar nicht auf eine bestimmte Situation beschränken möchte. Aber eins haben all diese Erlebnisse gemeinsam: ich war immer mit tollen Menschen zusammen, die es besonders gemacht haben!
Grundsätzlich habe ich eine sehr offene und freundliche Kultur erlebt, die sich allerdings deutlich von dem unterscheidet, was man aus Europa gewohnt ist. Cusco hat noch einen großen Einfluss aus der Inka Zeit, wodurch man viele traditionelle Veranstaltungen, Rituale und Paraden miterleben kann, wenn man sich dafür interessiert. Trotzdem muss man sich darauf einstellen, dass die Einheimischen sehr interessiert an einem sind (vor allem wenn man anders aussieht) und es gerade in den Clubs auch Männer gibt, die ein Nein nicht akzeptieren. Ich habe keine wirklich schlimmen negativen Erfahrungen gemacht, aber mich trotzdem wohler gefühlt, wenn ich nicht alleine unterwegs war. Ansonsten muss man sich einfach darauf einstellen, dass alles ein bisschen weniger fortschrittlich ist. Die Infrastruktur ist schlechter, an das Bus und Autofahren musste ich mich erstmal gewöhnen, es gibt andere Lebensmittel und Gerichte, man bringt seine Kleidung in einen Waschsalon, usw. Ich habe mich aber darauf eingelassen und dadurch auch keinerlei Probleme gehabt.
Das halbe Jahr hat mich in vielerlei Hinsicht geprägt. Zum einen habe ich zum ersten Mal alleine gelebt und mich um mich selbst kümmern müssen, was meine Selbstständigkeit nochmal gefördert hat und mich dazu gezwungen hat, einen Umgang mit dem „allein Sein“ zu finden. Darüberhinaus habe ich eine komplett neue Kultur kennenlernen dürfen, was immer eine Bereicherung ist und einen Toleranz und Weltoffenheit lehrt. Und dann habe ich noch in vielen Situationen vor Augen geführt bekommen, wie privilegiert ich eigentlich bin. Wir nehmen vieles als selbstverständlich hin, aber Arztbesuche, die Art und Weise wie man sich ernährt, Urlaube ins Ausland oder die Probleme, über die wir in Europa manchmal diskutieren, sind Privilegien, über die sich andere Menschen keine Gedanken machen können, weil sie viel grundlegendere Sorgen haben. Es war eine sehr lehrreiche und persönlichkeitsprägende Erfahrung!
Dieses halbe Jahr war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können und ich würde es immer wieder so machen! Ich habe so viele tolle Menschen kennenlernen dürfen, Erfahrungen gemacht, die mich stark geprägt haben, und Erinnerungen gesammelt, die mir noch lange erhalten bleiben werden. Es gab zwischendurch Situationen, die nicht ideal gelaufen sind, aber die haben sich im Endeffekt klären und besprechen lassen, sodass ich sie als Learning abspeichern kann.