Als ich nach Neuseeland ging, hatte ich nicht wirklich eine Vorstellung davon was mich erwarten wird. Natürlich hatte ich mich über das Land mit einem Reiseführer und einem Bildband informiert und war überwältigt von dem was ich gelesen und auf Bildern gesehen habe, ber wirklich glauben konnte ich das alles nicht. Das kam erst als ich wirklich in Neuseeland war und alles mit eigenen Augen sehen konnte.
Was die Arbeit betrifft, hatte ich schon mehr Vorstellungen. Ich stellte mir vor ein Teil der Familie zu werden, bei der ich mehrere Monate wohnen sollte. Ich hoffte, dass die Farm ein zweites zu Hause für mich werden wird. Die Arbeit selbst habe ich mir so vorgestellt, dass ich einfach helfe wo gerade Hilfe gebraucht wird. Natürlich wollte ich hauptsächlich draußen auf der Farm und mit den Tieren helfen, aber ich rechnete auch damit, vielleicht mal im Haushalt zur Hand zu gehen. Ich wollte mich einfach in den Alltag integrieren, neue Dinge dazulernen und mehr über das Leben auf einer Farm abseits von der nächsten Stadt erfahren. Nachdem ich die Farm wechseln konnte, habe ich die Zeit auf der Farm sehr genossen. Die Familie wurde wie eine zweite Familie für mich und ich habe mich auf der Farm wie zu Hause gefühlt. Ich habe einfach dazugehört und mir wurde sehr viel Vertrauen entgegengebracht. Ich habe in der Zeit so viel Neues erfahren und dazugelernt. Das hätte ich nie für möglich gehalten und umso schwerer fiel es mir dann auch, als es wieder an der Zeit war Abschied zu nehmen.
Zwischen 8 Uhr und halb 9 ist jeder aufgestanden und hat sich um sein eigenes Frühstück gekümmert. Anschließend ging es nach draußen. Die meiste Zeit habe ich meine Gastschwester Vicki bei den Pferden unterstützt. Ich kam also mit, wenn sie die Pferde auf der Koppel einfing, habe sie gesattelt, abgesattelt, gewaschen und wieder weggebracht. Vicki arbeitete pro Tag mit ca. 10 Pferden. Fast täglich durfte ich sie auch bei Ausritten rund um die Farm begleiten. Zum Mittagessen traf sich dann die ganze Familie wieder im Haus, hat besprochen was noch erledigt werden muss und vieles mehr. Anschließend ging es wieder bei den Pferden weiter. Abends sollte ich dann immer noch das Futter für die Pferde zusammenmischen. Hatte Vicki mal keine Aufgaben für mich, habe ich im Garten Unkraut gejätet, geholfen Zäune abzureißen und neu aufzubauen, Schafe zu impfen und zweimal durfte ich sogar beim Rindereintreiben helfen. Das erste Mal noch mit meinem Gastvater zusammen auf dem Quad, aber beim zweiten Mal dann wie Vicki und meine Gastmutter auf dem Pferd. Außerdem half ich auch im Haushalt mit, indem ich Fenster putzte, die Spülmaschine ausräumte oder Staub saugte. Je nachdem, wo eben gerade Hilfe gebraucht werden konnte.
Die Wochenenden verbrachten wir auf Springturnieren. Also hieß es vor der Abfahrt die ganze Ausrüstung checken, putzen und in den Pferdetruck bringen. Bei den Turnieren war ich dann für die Versorgung der Pferde zuständig und nachdem wir wieder zurück auf der Farm waren, wollte der Truck natürlich wieder ausgeräumt und geputzt werden. Einmal im Monat traf man sich mit Freunden für jeweils 2 Tage auf einer Farm. An beiden Tagen gab es dann tolle Ausritte rund um die Farm, durch Flüsse, am Strand entlang, über Wiesen und über Berge. Je nachdem was die Farm gerade hergab. Durch die fast täglichen Ausritte mit Vicki über die Farm haben sich meine Reitfähigkeiten deutlich verbessert und ich habe sogar ein wenig Springreiten gelernt. Auch generell im Umgang mit Pferden hat mir Vicki sehr viel beigebracht und mir auch zugetraut ihr mit den Pferden zu helfen, die sie gerade erst einreitet. Ich habe gelernt die Körpersprache der Pferde zu lesen und deren Verhalten zu deuten. Vicki hat mir gezeigt, wie man mit einem Quad fährt und mir alles rund um Springturniere nahe gebracht.
Alle Neuseeländer begegneten mir sehr freundlich und auch deren Gastfreundschaft ist überwältigend. Freunde meiner Gastfamilie haben mir zum Beispiel angeboten, dass ich bei ihnen übernachten kann, wenn ich bei ihnen in der Nähe vorbeikomme und Neuseeländer meinen solche Angebote auch wirklich ernst und ich habe es dankend angenommen. Von der Gelassenheit der Kiwis könnten sich die Deutschen auch gerne mal eine Scheibe abschneiden. Wenn mal etwas nicht ganz nach Plan läuft oder man im Supermarkt länger als gewöhnlich an der Kasse wartet, regt man sich nicht gleich auf, sondern fängt einfach eine nette Unterhaltung mit Gleichgesinnten an. Über die Maoris hörte ich leider zwei verschiedene Geschichten. Auf der einen Seite sind da die, die sich in das Leben der Kiwis integrieren und ihre Kultur an die Öffentlichkeit weitergeben, aber auf der anderen Seite stößt man auch noch auf Maoris, die allen anderen gegenüber feindlich gesinnt sind und durchaus gefährlich sein können. Meine Gastmutter hatte tatsächlich Angst mit dem Pferdetransporter bestimmte Straßen zu fahren, da es dort zu viele Maoris gibt, die im Falle einer Panne durchaus zur Gefahr werden können. Das fand ich dann doch etwas beängstigend und hätte ich nicht erwartet.
In meiner Freizeit habe ich nur etwas unternommen, wenn meine Gastschwester mich mitgenommen hat. Dazu waren wir einfach zu weit von der Stadt entfernt und ich kannte niemanden, außer meiner Gastfamilie. Gestört hat mich das aber nicht. Die Abende habe ich zusammen mit der Familie im Wohnzimmer verbracht. Wir haben zusammen vor dem Fernseher gesessen und den Tag gemütlich ausklingen lassen. Wenige Male bin ich mit meiner Gastschwester in die Stadt gefahren, aber da ging es meistens nur darum ein paar Dinge zu besorgen, die sie für die Pferde brauchte und dann haben wir uns meistens noch irgendwo hingesetzt, um was zu essen. Einmal wollten wir zusammen ins Kino gehen, aber obwohl wir schon in der Stadt waren, haben wir uns dagegen entschieden, da wir zu müde waren. An den Wochenenden waren wir auf Springturnieren und ich habe dort Freunde von meiner Gastschwester Vicki getroffen und wir saßen abends gemütlich zusammen. Ich habe mich während der Zeit auf der Farm, dem Farmleben angepasst und war damit glücklich.
Die schönsten Momente auf der Farm waren die vielen Ausritte und vor allem die „Horse Trekking“ Treffen mit Freunden der Familie. Einmal ging es bei dem Nachbar eine Stunde einen Berg nach oben und dann hatte ich einen gigantischen Ausblick über die Gegend, in der ich gelebt habe. Das war aber auch ein sehr angsteinflößender Ausritt, denn es ging sehr steil nach oben und das mussten wir natürlich auch alles wieder nach unten und das auf dem Pferderücken. Ich kam mir manchmal vor wie auf einer Rutsche, aber es hat sich gelohnt. Dann ging es zu einer Farm von Freunden, wo wir bestimmt zwei Stunden einfach nur in einem Fluss geritten sind. Wäre es wärmer gewesen, hätten wir sogar mit den Pferden im Fluss schwimmen können, aber leider hat es geregnet. Ein Tag bevor ich die Farm wieder verließ, ging es noch zu anderen Freunden und wir hatten die Gelegenheit am Strand zu reiten. Alle 3 Ausritte werde ich aber so schnell nicht mehr vergessen. Ein weiteres Highlight war dann noch der 21. Geburtstag von meiner Gastschwester Vicki. Es war eine Countryparty mit über 100 Gästen, einem selbstgemachten Bullen zum Rodeo reiten und 3 unglaublichen Pferden, mit denen wir über den Hof galoppiert sind und uns wie echte Cowboys gefühlt haben. Alles natürlich mit Cowboystiefeln und Cowboyhut.
Mit Hilfe der Infomappe habe ich mich super auf mein Abenteuer vorbereitet gefühlt und musste nicht vor Ort noch feststellen, dass ich irgendetwas Wichtiges noch vergessen habe. Auf jede Frage habe ich in der Infomappe Antworten gefunden und war ich trotzdem noch ratlos, konnte ich eine Email an wayers schreiben und bekam innerhalb kürzester Zeit eine sehr hilfreiche Antwort. Auch als meine Mutter eine aktuellere Teilnahmebescheinigung anforderte, während ich in Neuseeland war, hatte sie diese innerhalb weniger Tage und ohne weitere Umstände in der Hand. Mein Ansprechpartner der Partnerorganisation war sehr freundlich und ich fand es toll, dass er mir vorgeschlagen hat mit Stray zu reisen, bis ich auf meine erste Farm gehen konnte. So konnte ich direkt etwas von Neuseeland sehen und musste nicht in Auckland warten, bis die Gastmutter wieder zu Hause war und ich auf die Farm kommen konnte. Auch als ich die Farm wechseln wollte, war er sehr freundlich und hat Verständnis gezeigt. Damit er in Ruhe nach einer neuen Farm suchen konnte, habe ich meine Reise mit dem Stray-Bus fortgesetzt und kam voller Erwartungen zurück nach Auckland. Mir fiel dann aber ein Stein vom Herzen, als ich doch noch eine Chance bekam und wenige Tage später mit meiner Gastschwester auf dem Weg zur neuen Farm war. Dort sollte ich eigentlich höchstens 2 Wochen bleiben, aber die Familie war letztendlich sogar einverstanden, dass ich so lange bleibe, wie ich möchte. In den 3 Monaten auf der Farm hat sich Chris des Öfteren bei mir gemeldet, um sich zu erkundigen, ob noch alles in Ordnung ist und ich habe mich wieder sehr gut betreut gefühlt.
Ich habe meine Entscheidung nie bereut und würde es sofort wieder machen. Mein Aufenthalt hat mir sehr viel Spaß gemacht und mich auch sehr weitergebracht. Ich habe es vor allem genossen, dass ich die meiste Zeit draußen in der Natur und mit den Tieren verbracht habe. Es hat mir gezeigt, dass ich definitiv später einen Job machen möchte, bei dem ich nicht nur an ein Gebäude gebunden bin, sondern auch mal nach Draußen muss. Natürlich haben sich auch meine Sprachkenntnisse deutlich verbessert und ich habe vor allem durch das zusätzliche Reisen viele Freundschaften mit Backpackern aus der ganzen Welt geschlossen. Ich habe gelernt mich in schwierigen Situationen alleine durchzusetzen, bin selbstbewusster und erwachsener geworden. Wenn ich heute irgendetwas erledigen soll, denke ich manchmal, dass ich das vor einem halben Jahr noch ganz anders gemacht hätte, weil ich viel zurückhaltender war.