Zu tun gab es immer etwas – und wenn nicht, konnte man sich einfach in die Küche begeben, um das Gemüse für das Abendessen zu putzen. Oder – und das tat ich im Kloster besonders gerne – Ani Sonam und Susila auf ihrem Weg zum Eremiten begleiten, um ihm etwas zu essen bzw. zu trinken zu bringen und am Rückweg Futter für die Kühe zu sammeln.
Daneben war meine Aufgabe im Kloster der Englisch Unterricht, was bei den wissbegierigen und freudestrahlenden jungen Nonnen aber wirklich nicht schwierig war. Allerdings habe ich es bedauert, zu wenig Material (Liedtexte, Englischbücher, Spiele, Fotos – besonders vom Winter in Tirol J , …) dabeizuhaben.
In Kathmandu habe ich mir auch zwei Frauenprojekte angesehen und war extrem beeindruckt von der tollen Arbeit, die diese Organisationen für benachteiligte und misshandelte Frauen leisten. Im ersten Projekt gab es eine eigene Näherei (in der vom Faden bis zum fertigen Schal alles selbst hergestellt wurde), eine Krabbelstube und ein Kinderheim, um Betroffene beim (Wieder)Aufbau eines unabhängigen Lebens zu unterstützen. Das zweite Projekt kümmerte sich mittels Fortbildung, Gesundheits- und Aufklärungsprogrammen um Frauen bzw. Mädchen, die in den „Massagesalons“ von Kathmandu arbeiten.
Was mich trotz der eher tragischen Umstände fasziniert hat, war vor allem der Umgang damit. Trotz erlittener Misshandlungen, trotz der schwierigen Lebensumstände und trotz finanzieller Not verlieren die Menschen nicht ihre Fröhlichkeit. Leider war meine Zeit in Nepal zu kurz, um in diesen beiden Projekten länger mitzuarbeiten – das war so ziemlich der einzige Wunsch, der in Nepal offen geblieben ist. Aber damit auch ein Grund zum Wiederkommen!
So etwas Offenes wie diese Kinder habe ich selten gesehen. Vor allem hat mich der Tiefgang ihrer Gedanken (ich habe heute noch ein selbstgeschriebenes Gedicht, das ich zum Abschied bekam, in meiner Geldtasche) erstaunt! Aber egal, wo man in Nepal hinkommt: Kinder prägen das normale Alltagsbild – am liebsten würde man ständig mitlachen, mitspielen, mittanzen, mitessen.
Als ich in der Krabbelstube des Frauenprojekts mitarbeitete, konnte ich erleben, wie innig und schnell man dazugehört – auch wenn sich meine Nepali-Sprachkenntnisse auf „Tapeiko nam ke ho?“ beschränkt haben. Dafür konnten schon die Kleinsten recht gut Englisch und für ganz viele Dinge braucht es – gerade auch in Nepal – keine Worte!
Die Abwechslung, von der mein 4 ½ -wöchiger Freiwilligenaufenthalt geprägt war, fing schon beim Wohnen an: in Kathmandu hatte ich das Glück, bei Ama, der Mutter von Baghwan, zu wohnen – und vor allem auch verköstigt zu werden: Dal Bhat (traditionelles Reisgericht) schmeckt überall sehr gut – aber nirgends so köstlich wie bei Ama. Wahrscheinlich floss ihre Herzlichkeit, ihr Temperament und ihre gute Laune in die Zubereitung der Speisen mit ein!
Wahnsinnig schön „gewohnt“ haben wir auch auf der Landwoche: die Aussicht beim Frühstück auf die umliegenden Berge, Reisfelder und die aufgehende Sonne waren ein Hit. Und das frischgebackene Fladenbrot sorgte dafür, dass wir für unsere Wanderung zum nächstgelegenen Bergdorf („nur“ 5 Stunden bergauf) so richtig gut gestärkt waren.
Vergessen werde ich wohl auch nie mein großes, schlichtes Zimmer in Nagi Gumbha, einem buddhistischen Frauenkloster in den Wäldern des Shivapuri Nationalparks. Da es abends in Nepal häufig keinen Strom gibt, war man „gezwungen“, auf Kerzenlicht umzusteigen. Nach dem Vorbild der Nonnen und eifriger Klostergäste übte ich mich dabei ein wenig im Meditieren … wobei einem die Einfachheit der Dinge rundherum den Blick auf das Wesentliche im Leben sehr erleichtert.
Baghwan und sein Team haben es mir ermöglicht, bei sehr vielen Ausflügen mit dabei zu sein und Land & Leute auf ganz besondere Weise kennenzulernen. Auf der Landwoche bestach der einfache „Reichtum“, mit dem wir, egal wo wir hinkamen, beschenkt wurden.
Die Unkompliziertheit, mit der uns Arun schon am Flughafen empfangen hat, hat sich durch meine ganzen 4 ½ Wochen durchgezogen. „Du möchtest Bakthapur sehen – kein Problem! Ach ja, das verbinden wir dann gleich mit dem Sonnenaufgang in Nargakot und einer schönen Wanderung …“ „Zwei Tage später fahren? Ja klar geht das, lass mich kurz telefonieren …“.
Dass bei so viel Spontanität und Flexibilität Zeitpläne nicht immer eingehalten werden können, ist zwar anfangs etwas „ungewohnt“: Aber für die Gelassenheit, die man mit der Zeit gewinnt, wird man mit vielen angenehmen Überraschungen belohnt. Ein Erlebnis für alle Sinne ist auch Kathmandu: zu Fuß, im „Minibus-Taxi“ oder per Moped, man kommt aus dem Schauen, Zuhören, Riechen und Aufpassen gar nicht mehr heraus. Das genaue Kontrastprogramm gibt’s dafür im ca. 20 km entfernten Shivapuri Nationalpark: einsame Wanderungen, allein begleitet von Affengeschrei und Tigergebrüll (welchen ich leider weder gehört noch gesehen habe, den es Erzählung nach aber geben soll). Fazit: es gibt hier nichts, was es nicht gibt.
Nepal ist anders. Trotz allem Trubel, der v.a. rund um Kathmandu herrscht, drehen sich die Uhren langsamer. Das Leben bringt, was es bringen soll – auch ohne minutiöse Planung. Der entscheidende Punkt ist, dass das System funktioniert. Vielleicht nicht immer so, wie wir es erwarten und vielleicht auch auf Kosten so mancher „unserer“ Werte, doch dafür gehen andere nicht verloren. Und so denke ich, dass im Austausch miteinander beide Seiten voneinander lernen und aneinander gewinnen können.