Ich bin immer etwas früher zur Schule gekommen um mit den Kindern ein bisschen zu spielen. Jeden Morgen um 10 Uhr zu Schulbeginn wird im Klassenzimmer die nepalesische Hymne gesungen, salutiert und gebetet. Im Anschluss wird gesungen, zu jedem Kinderlied gibt es einen kleinen Tanz.
Danach findet die durch mich eingeführte Gymnastik-Einheit statt mit einer kleinen Meditation zum Abschluss (insgesamt ca. 30 Minuten). Für weitere 30 Minuten kommen die Schüler einzeln vor zur Tafel und sagen entweder das nepalesische oder englische Alphabet oder die Zahlen 1-50 vor.
Danach geht es bis zur Mittagspause ans Schreiben üben (Zahlen, englische und nepalesische Buchstaben). Jedes Kind hat ein Heft, das es für den gesamten Unterricht nutzt. Die Lehrkraft und ich setzen uns dafür zu den Kindern auf den Boden.
Von 13-14 Uhr ist Mittagspause, die Kindern und Lehrkräfte bekommen ein Mittagessen, das im separaten Schulhof (nur für die Vorschule) ausgegeben wird. Meistens dürfen die Kinder danach im Klassenzimmer spielen, an etwa jedem 3. Tag ist in der Zeit die sogenannte „Nap-Time“, bei der die Kinder ein Nickerchen machen.
Von 14-15 Uhr ist die „legere“ Unterrichtszeit. Hier geht man im Sitzkreis nochmal das Alphabet durch oder ich nutze Buchstaben-Würfel, während die Lehrkraft die Hefte der Schüler korrigiert. Nach dem Unterrichtsende warte ich mit der Lehrkraft 30 Minuten, bis alle Kinder abgeholt werden.
Nach der Schule gehe ich ab und an in ein Café in der Nähe, fahre nochmal in die Stadt oder arbeite für meinen Job in Deutschland. Gegen 19 Uhr gibt es ein gemeinschaftliches Abendessen für alle Volunteers/Gäste im Homestay. Danach quatschen wir oft auf dem Balkon und lassen den Abend gemütlich ausklingen.
Die Schule, an der das Projekt stattgefunden hat, war sehr einladend und alle Mitarbeiter sind sehr lieb. An der Schule selbst gab es bis dato aber noch kaum Volunteers, weshalb die Organisation an den ersten Tagen noch etwas holprig ist – die Lehrkräfte wissen nicht so ganz, wie sie die Volunteers einsetzen sollen. Das alles spielt sich aber nach ein paar Tagen ein – jetzt gibt es beispielsweise jeden Morgen eine kleine Gymnastik-Einheit mit der Klasse, die ich eingeführt habe.
Bei dem Projekt werde ich nicht in einer Grundschulklasse, sondern in einer Vorschulklasse eingesetzt. Insgesamt gibt es zwei verschiedene Vorschulklassen, die nach Können unterteilt sind. Insgesamt sind 27 Kinder in meiner (der früheren Vorschulklasse) eingeschrieben. Im Schnitt sind immer ca. 20 Kinder anwesend. Das jüngste Kind ist ca. 2 Jahre und das älteste ca. 10 Jahre alt (sie hat Authismus – durch einen Volunteer können ihr die Lehrkräfte etwas mehr der benötigten Aufmerksamkeit schenken).
Man muss sich darauf einstellen, dass der Unterricht auch in einer Vorschule aus deutscher Sicht sehr anders und für uns eher „veraltet“ ist. Aber genau das ist auch spannend! Bereits in diesem jungen Alter lernen die Kinder Lesen und Schreiben, das nepalesische sowie das englische Alphabet und Spielen wird eher sehr weit hinten angestellt. Die Lehrkraft in der Vorschule spricht nur sehr gebrochenes Englisch, doch man merkt schnell, dass die Kommunikation mit Händen und Füßen gut funktioniert!
An staatlichen Schulen, wie dieser, kommt es häufig vor, dass die Lehrkräfte ohne Voranmeldung nicht erscheinen. Darauf muss man sich einstellen, doch sobald man weiß wie der Unterricht normalerweise gestaltet ist, kann man die Kinder gut beschäftigen.
Während der Zeit vor Ort kann man definitiv etwas bewirken! Man kann besser auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen, was als alleinige Lehrkraft (vor allem bei Kindern mit und ohne Autismus) sehr herausfordernd ist. Wie bereits erwähnt habe ich eine morgendliche Gymnastik-Einheit eingeführt und den Kindern einige neue Lieder beigebracht. Der Unterricht ist eher strikt und streng gehalten. Als Volunteer muss man aber diese strikte Autorität nicht so stark ausleben, wie die Lehrkraft. Dadurch sehen einen die Kindern eher als einen Betreuer, mit dem man auch mal Spaß haben kann. Vor und nach dem Unterricht sowie in den Pausen zaubere ich den Kindern oft ein Lächeln ins Gesicht und es wird viel gespielt. Aber auch zum Trösten und Beruhigen ist man da – in der Zwischenzeit kann sich die Lehrkraft um den Unterricht der anderen Schüler kümmern.
Sobald man das Projekt verlässt und kein anderer Volunteer in absehbarer Zeit nachkommt, fällt die zusätzliche Betreuung und Aufmerksamkeit weg. Dennoch hoffe ich, dass eine gewisse Leichtigkeit und zumindest die Bewegung, die ich ins Klassenzimmer bringe, erhalten bleibt! Die Lehrkräfte stehen durch den Staat und die Eltern unter einem hohen Druck, den Kindern von ganz klein auf sehr viel beizubringen. Das muss man verstehen und sich im klaren sein, dass die Schulzeit nicht wie in Deutschland ist und man keine Welten verändern wird. Ein kleiner Beitrag ist oft auch schon Gold wert!
In Nepal läuft alles viel lockerer und spontaner als in Deutschland, das merkt man schnell! Dafür können auch sehr spontane Ausflugsideen am Abend für den nächsten Tag durch Bhagwan umgesetzt werden – das ist wirklich top! Kultur und Reisen geht durch den Magen! Im Homestay bekommt man typische nepalesische Gerichte zum Probieren und hat auch einen eigenen Kochkurs. Man lernt viel über die Religion und Lebenseinstellungen durch die Betreuer vor Ort und kann rund um die Uhr so viele Fragen stellen, wie man möchte.
Mit den größten Unterschied während meiner bisherigen Zeit in Nepal habe ich innerhalb meines Projekts gemerkt – das Schulsystem. Man merkt schnell, wie privilegiert eine Bevölkerung durch die Schulpflicht ist und lernt vieles noch mehr zu schätzen. Allerdings ist es auch unglaublich schön, die Freundlichkeit, Offenheit und auch Zufriedenheit der Leute hier vor Ort – egal wie hoch oder niedrig das monatliche Einkommen ist – zu sehen. Davon möchte ich mir auf jeden Fall so viel wie möglich beibehalten!
Mit das schönste bisher war für mich das Vertrauen eines neuen Schülers in der Klasse. Er hatte seinen ersten Schultag etwa eine Woche nach meinem Projektstart. Er ist ziemlich schüchtern und traut sich nicht wirklich, an den gemeinschaftlichen Einheiten (Singen, Gymnastik, etc.) mitzumachen. Durch ein bisschen extra Aufmerksamkeit und viel Grinsen habe ich es aber gemeinsam mit den anderen Schülern geschafft, dass er sich mittlerweile in der Klasse wohl fühlt. Auch wenn er noch nicht wirklich spricht, lächelt er mich jeden morgen an, winkt mir und gibt mir eine kleine Umarmung!
Der größte Tipp ist, so offen wie möglich ins Projekt zu starten! Es wird immer anders, als man es sich vorstellen kann.
Noch ein kleiner Tipp am Rande: Wenn man den Kindern eine Freude machen möchte und ihnen was mitbringen will, sind Schulsachen (Schreibhefte, Bleistifte, Buntstifte, Radiergummi und Anspitzer) am hilfreichsten. Zum Teil sind die Kindern noch so klein, dass sie für kleine Spielsachen (Spielautos, Schleichfiguren, usw.) noch zu jung sind. Außerdem ist der Unterricht auch in der Schule kaum spielerisch und die Kinder dürfen auch in der Pause nicht raus auf den Schulhof und mal mit einem Ball o.ä. spielen. Die Schule selbst stellt für die Kleinen kein Schulmaterial zur Verfügung und häufig wird das Heft/der Stift zuhause vergessen. Mit einem solchen kleinen Geschenk garantiert man wenigstens, dass jedes Kind die Möglichkeit zum Lernen hat!
Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung, das Projekt in Nepal durchzuführen – ich möchte diese Erfahrung (sie ist zum Glück noch nicht zu Ende) auf keinen Fall missen! Auch wenn ich schon sehr viel auf längeren Reisen war, ist meine Zeit in Nepal intensiver als sonst. Ich bekomme viel mehr von der Kultur mit als sonst und kann dem Land / seinen Kindern deutlich mehr zurück geben, als auf einem „gewöhnlichen“ Auslandsaufenthalt. Außerdem habe ich schon jetzt enorm viel für mich selbst gelernt – Sachen die ich mehr wertschätzen sollte, eine andere Sicht auf gewissen Dinge und Kleinigkeiten, die ich nachhaltig in meinem Alltag ändern möchte.
Die größte Weiterentwicklung sind wohl Kleinigkeiten im Alltag. Wenn man sich mal wieder aufregt, dass das WLAN nicht geht oder man durch einen Baustelle einen extra Umweg fahren muss – all das sind Dinge, über die sich andere gerne aufregen würden. Sie haben aber so viel größere Probleme und man macht sich dadurch das Leben nur unnötig schwer. Auch wenn diese „nervigen“ Situationen nicht verschwinden werden und man sich mal drüber aufregt, rufe ich mir aber viel schneller ins Gedächtnis, wie privilegiert diese kleinen Problemchen doch sind. Außerdem hat mir meine Reise gezeigt, was für ein gutes Gefühl es mir gibt, mich sozial zu engagieren und ich es auch in Zukunft regelmäßig machen möchte!