Der Flieger von South African Express brachte mich pünktlich am 1. Oktober 2019 um 14 Uhr nach Hoedspruit, einem wahrhaft echten Busch-Flughafen in der Nähe des Greater Kruger Nationalparks. Die Koffer wurden nach dem Ausstieg einfach durch ein Tor gereicht, welches sich auch gleich beim Parkplatz befand. Dort wartete schon eine kleine Gruppe auf mich, mit welcher ich dann zu unserem Kleinbus ging. Nach einer kurzen Vorstellrunde ging es über unebene Straßen ins Rusermi Bush Camp, vorbei an Pavianen, Elefanten, Antilopen, Giraffen und Warzenschweinen, letztere grasten direkt an der Tankstelle. Nach ungefähr 1,5h Fahrt auf holprigen Schotterwegen und durch eine sehr trockene Vegetation, erreichten wir schließlich gegen 16 Uhr unser Camp. Es wirkte wie eine grüne Oase in der ausgetrockneten Landschaft. Denn der Olifantsriver durchkreuzte das Balule Reservat in dem wir uns befanden. Der Fluss sorgte für ein grünes Band entlang des Flussverlaufs. Aus dem Auto heraus sah man schon die vielen Affen die auf den Mauern am Haus saßen sowie die Antilopen die zwischen den Autos und Gebäuden grasten. Im Hintergrund war der Fluss mit einem sehr niedrigen Pegelstand zu sehen. Durch das Flussbett schlenderten gerade 4 ausgewachsene, männliche Giraffen, begleitet von Wasserböcken und weiteren Antilopen. Afrika wie man es sich vorstellt.
Vor dem Haus warteten schon die Ranger und anderen Volunteere auf uns, welche schon einige Zeit hier verbracht haben. Es folgte eine erneute, etwas längere Vorstellrunde. Die meisten kamen aus Deutschland, gefolgt von Frankreich, Schweiz und Belgien. Die Ranger stammten alle aus Südafrika. Anschließend wurden wir durch das Haus geführt und gleichzeitig mit Küche, Bad und Arbeitsplänen vertraut gemacht. Denn jeder hatte tagsüber eine Aufgabe die er zusammen mit seinem Team erledigen musste. Kochen, putzen, abwaschen oder Forschungsdaten-Eingabe am PC. Letzteres war am zeitaufwändigsten, aber auch am spannendsten. Da hierzu unter andrem auch die Kamerafallen-Auswertung gehörte, auf welcher man regelmäßig Leoparden, Hippos und andere Groß-Säugetiere sah.
Eine Woche später hatte ich bereits so viele Eindrücke und Erfahrungen gesammelt, die einen schon fast überforderten. Jeder Tag war ein echtes Abenteuer, welches auch nicht zu kurz gekommen ist. Denn aufstehen war an den meisten Tagen um 5 Uhr angesagt.
Der durchschnittliche Tagesablauf von uns 17 Volunteeren und 2 Rangern sah ungefähr wie folgt aus:
5 Uhr: Mein Wecker klingelte. Draußen war es noch nicht mal richtig hell. Es ging richtig Waschräume. Bevor man jedoch die Treppe aus dem Zimmer hinunter gehen konnte, hieß es erstmal die Umgebung erkunden, eine der ersten Lektionen die wir im Camp gelernt hatten. Denn die Unterkunft ist nicht umzäunt. Alles kann rein- und rausgehen.
5:30 Uhr: Jeder machte sich sein eigenes, erstes, kleines Frühstück, bevor es mit dem offenen Jeep in den Busch ging. Ich machte mir meistens Müsli mit Obst und Kaffee.
6 – 9 Uhr: Die 2 Jeeps wurden von den Rangern vorgefahren. Pro Jeep gab es ein festgelegtes Team. Jedes Team hatte andere Aufgaben zu erledigen. Morgens ging es meistens zum „Bird Count“. Also Vögel zählen und aufnehmen, welche im Reservat leben. Abends wurden die erfassten Daten in der Datenbank am PC eingeben. Eine andere Aufgabe die oft morgens erledigt wurde nannte sich „Transects“. Hierbei wurden alle größeren Säugetiere die bei der Ausfahrt beobachtet wurden, erfasst inkl. Anzahl, Geschlecht, Lebenszyklus, Kondition, GPS, Uhrzeit und Lebensraum. Nach einigen Ausfahrten fand man die grazilen, anfangs noch so faszinierenden Impalas etwas nervig. Denn sie kommen in Massen vor. Diese Herden von Antilopen zu zählen und dabei den Überblick über Geschlecht und Lebenszyklus zu behalten, ist wirklich „Wetten dass“ reif. Unser Ranger zeigte dabei immer seine beeindrucke Auffassungsgabe. Denn für ihn war es kein Problem innerhalb von Dutzenden, wandernden Impalas den Überblick zu behalten.
9 – 10 Uhr: Jeder machte sich sein eigenes 2. Frühstück fertig und ruhte sich danach ein wenig aus. Ich machte mir meistens Toast mit Salat und Käse.
11 – 12 Uhr: In diesem Zeitraum fand meist ein Vortrag unter der Kategorie „Lectures“ statt. In diesen verschiedenen Vorträgen von den Rangern erfuhren wir Wissenswertes über Flora und Fauna, wie wir uns zum Beispiel bei gefährlichen Situationen mit Tieren verhalten sollten oder wie wir Spuren lesen konnten.
12 – 14 Uhr: Auch hier war wieder jeder für sein eigenes Mittagessen verantwortlich, zubereitet von den Lebensmitteln, die von den Rangern einmal die Woche eingekauft wurden. Wer Sonderwünsche hatte musste sich diese eigenständig erfüllen, beispielsweise bei dem einen Tag „Day off“ den man in einer Woche hatte. Hier konnte jeder Ausflüge mit anderen Volunteeren unternehmen und auf der Rückfahrt im Supermarkt, des 1,5h entfernten Ortes Hoedspruit, Einkäufe erledigen.
14 – 14:30 Uhr: Es hieß wieder zuhören und lernen. Denn die Ranger gaben wieder einen ihrer spannenden Vorträge. Zum Beispiel die Bedeutung der Marula Bäume im Nationalpark und welche Schäden die Elefanten an diesen anrichteten.
15 – 18 Uhr: Es ging wieder mit dem offenen Jeep in den Busch. Beispielsweise um die Batterien und SIM-Karten der Kamerafallen auszutauschen. Oder aber es stand „Reserve work“ an. Das bedeutete, wir kümmerten uns entweder um „Road work“ oder „Nature work“. Sprich, man kümmert sich unter anderem um das Bauen von Wasserdämmen oder das beseitigen von Alien Plants – nicht einheimische Pflanzen im Park. Die Reserve work ist auf alle Fälle das schweißtreibendste gewesen. Denn die Temperaturen lagen deutlich über 30 Grad und die Sonne brennte.
19 – 21 Uhr: In diesem Zeitraum kümmerte sich ein wechselndes 4er Team um die Zubereitung des Abendessens für alle. Mal gab es Burger, Wraps, Nudeln oder einfach Reis mit Hähnchen süß-sauer.
Des weiteren musste jedes Team noch weitere Aufgaben verteilt über den Tag erledigen, wie putzen, aufräumen oder gesammelte Daten im Online-Portal der Forschungsorganisation hinterlegen. Denn es gab kein weiteres Personal im Camp. Wir waren für alles verantwortlich und zuständig.
Das magischste war einfach, wenn direkt an unserer Unterkunft sich die Tiere am Fluss versammelten und man diese direkt von unserer Terrasse aus beobachten konnte. So konnte ich große Elefanten Herden beobachten, zahlreiche Giraffen die aus unserem Trinknapf an der Unterkunft tranken, oder aber einfach die vielen Antilopen, Wasserböcke und Affen die sich den gesamten Tag bei uns aufhielten. Mit am spannendsten war es allerdings, als die Ranger abends die Warnrufe der Vögel und Affen registrierten und wir daraufhin zur Terrasse eilten. Man spürte die extreme Anspannung und Nervosität der Tiere. Ein echter Gänsehaut Moment. Kurze Zeit später sahen wir wie 4 Löwinnen am Fluss auf der Jagd nach einem Springbock waren. Jedoch hatte auch der Springbock die Signale der anderen Tiere wahrgenommen und konnte sich rechtzeitig mit schnellen, hohen Sprüngen retten. Die Löwinnen zogen erfolglos mit eingezogenen Köpfen an unserer Unterkunft entlang.
Aber auch ein Elefant in unserem, und mehrere Elefanten an unserem Camp sorgten für etwas Aufregung. Der Elefant stand die eine Nacht nur wenige Meter von mir und unserer Esstafel entfernt. Er wusste, dass es bei uns leckeres Grünzeug gab, denn unsere Pflanzen wurden täglich bewässert. Der Elefant war aber ganz friedlich und unser Ranger redete auf Afrikaans auf ihn behutsam ein, sodass er nach einer halben Stunde wieder das Camp verließ.
Super spannend war es auch als wir den einen Abend mit beiden Jeeps auf dem Weg zur Eisenbahnbrücke waren, um den Sonnenuntergang über den Olifantsriver zu sehen. Auf dem Weg dorthin sind wir an den Knochen-Überresten einer verstorbenen Giraffe vorbeigefahren, welche vor ca. 2 Wochen von den Löwen ganz in der Nähe unserer Unterkunft erlegt worden war. Die anderen Volunteere zeigten uns bereits ein paar Tage zuvor die Bilder, als die Löwen an der Giraffen aßen. Sehr beeindruckende Bilder. Ein paar Tage später hatte man den Verwesungsgeruch wohl bis ins Camp gerochen. Dementsprechend fuhren wir vorher schon einige Male an dem Kadaver vorbei, mit der Hoffnung hier Tiere anzutreffen. An dem besagten Abend war es dann soweit. Und das skurrile war, nicht Hyänen oder Löwen nagten an den Knochen, sondern mehrere Giraffen verspeisten die Knochen ihres Artgenossen. Die Ranger erklärten uns auch die Ursache für dieses merkwürdig scheinende Verhalten. Um wertvolle Mineralien und Calcium zu erlangen, essen Giraffen manchmal Knochen, selbst die ihrer Verwandten.
Eine andere Sache die mir persönlich sehr viel Spaß bereitete, war der „Bush walk“. Dann gingen wir mit unserem Ranger in den Busch und suchten beispielsweise Spuren und Hinterlassenschaften der Tiere. Es war wirklich wahnsinnig was mal alles anhand dieser Spuren ablesen konnte und wie alles mit einander verbunden war.
Nach 4 Wochen Arbeit im Reserve hatten wir einiges zum Erhalt des Parks beigetragen. Von Straßenausbesserungen, Wasserdamm Bauten, Alien-Pflanzen-Beseitigung, Bäume von der Straße entfernen bis hin zu Marula Baum Bestandsaufnahmen war unglaublich viel dabei. Letzteres hatte einige Zeit in Anspruch genommen, da alle Marula Bäume im Reservat, welche sich in der Nähe der Straßen befinden, aufgenommen wurden. Solch eine Bestandsaufnahme wurde zuletzt vor 3 Jahren unternommen. Man möchte in der nächsten Zeit einen Vergleich ziehen, ob es den Bäumen schlechter oder besser geht. Denn die Marula Bäume sind eine der wichtigsten Pflanzen im Kruger National Park und bilden eine Nahrungsgrundlage für viele Tiere. Auch für die Elefanten, welche nicht nur die nährstoffreichen Früchte essen, sondern in der Trockenzeit sich an Ästen und viel schlimmer, an der Rinde der Bäume zu schaffen machen. Dadurch dass einige Elefanten einen Großteil der Rinde vom Baum entfernen, können im Anschluss Insekten in den Baum eindringen und diesen von Innen zerstören. Daraufhin wird der Baum so stark beschädigt, dass er mit den Jahren stirbt. Die unter anderem von uns gesammelten Daten werden von Universitäten ausgewertet, welche im Anschluss Handlungsempfehlungen abgeben. So wurden beispielsweise in den 60er Jahren Elefanten kontrolliert abgeschossen, da die wachsenden Herden mehr und mehr Bäume zerstörten. Nach zahlreichen Protesten der Bevölkerung wurde diese Maßnahme nach einigen Jahren gestoppt. Nun versucht die Nationalpark-Verwaltung die Bäume durch Drähte oder davor aufgehäufte Felsen zu schützen. In dem Ranger-Vortrag zu diesen Bäumen, fragte ich den Ranger, warum der Kruger nicht einfach neue Bäume pflanzt. Was für mich am logischsten schien, machen ja quasi alle. Jedoch kam die Antwort prompt. Der Kruger möchte den Park der Natur überlassen und diesen nicht menschlich verändern. Klang für mich nicht sonderlich plausibel, denn die Elefanten-Bestände wurden ja auch menschlich dezimiert. Aber die Ranger erwiderten schnell, dass die Ursache für dieses Elefanten-Verhalten im Klimawandel liegt. Denn durch die längeren Trockenzeiten finden die Elefanten nicht genug Nahrung, weshalb sie sich verstärkt an den Rinden und Ästen der Bäume vergehen. Das klang für mich definitiv plausibel. Also war es mal wieder der Mensch, der für das Baumsterben verantwortlich ist.
Samstag, der 12.10. sollte der Tag werden, an welchem ich die Big 5 sehen sollte. Es war unser zweiter “Day-off”, also unser freier Tag in der Woche, an dem wir machen konnten was wir wollten. Davor die Woche fuhren wir in den Blyde River Canyon, dem drittgrößten Canyon der Welt und genossen dort die wahnsinnigen Ausblicke auf Berge, Schluchten und Weiten. Dieses Mal wollten wir eine ganztägige Safari durch das Herz des Kruger National Parks machen. Es hieß um 4 Uhr aufstehen, denn um 4:30 Uhr wurden wir bereits von unserem Fahrer abgeholt. Das frühe aufstehen sollte jedoch ziemlich schnell belohnt werden. Denn nach ungefähr 30 Minuten Fahrt schrie unser Fahrer “Leopard Leopard Leopard”. Und so sah ich meinen ersten, freilebenden Leoparden direkt am Schotterweg durch die Nacht laufen. Nach einer sehr windigen und frischen 2 stündigen Fahrt erreichten wir dann das Eingangstor des Kruger National Parks. Unser Reservat befand sich nämlich im Greater Kruger National Park. Es ist somit ein angrenzendes Schutzgebiet, welches an den Kruger National Park angeschlossen ist, so wie viele weitere Reservate um den eigentlichen Kruger herum. Kurz nach dem passieren des Tores sah ich dann meine erste Hyäne bei Tageslicht. Zuvor hatte ich, zusammen mit dem Team im Camp, den einen Abend bei uns bereits eine Hyäne von weitem im Dunkeln gesehen. Nun also auch unter der früh morgendlichen Afrikasonne. Kurze Zeit später sahen wir am Straßenrand ein großes Löwenrudel mit 2 Kleinen. Anschließend folgten Büffel, Elefanten, Strauße, Giraffen, zahlreiche Zebras, Gnus und andere Antilopen-Arten. Leider sahen wir auf der 7 stündigen Safari keine Nashörner. Demnach sahen wir also an diesem Tag erst 4 der Big 5. Gegen 14 Uhr begaben wir uns nach einer Mittagspause im Kruger wieder auf den Weg nach Hause. Ich war voller Ehrgeiz auf dem Heimweg noch ein Nashorn zu sehen und hatte die Hoffnung, dies in unserem Reservat zu finden. Als wir wieder durch die 2 Tore zu unserem Reserve fuhren, vergingen noch ungefähr 10min bis ich in ca. 300m Entfernung auf einem Hügel ein großes Nashorn sah. Ich war wahnsinnig glücklich über diese Sichtung, denn so hatte ich die Big 5 an einem einzigen Tag gesehen. Und das beste, am nächsten Tag fuhren wir um 6 Uhr zum regelmäßigen „Transect“ raus, um die größeren Säugetiere zu zählen. Auch hier sahen wir wieder Nashörner, diesmal sogar 2, die direkt am Straßenrand grasten und somit sehr gut zu sehen waren. Der Name Big 5 stammt übrigens nicht von der Größe der Tiere ab, sondern hat seinen Ursprung in der früheren Jagd von Elefant, Nashorn, Leopard, Büffel und Löwe. Sie waren früher die 5 gefährlichsten Tiere, die bei der Jagd zur größten Gefahr werden konnten. Das ist auch der Grund warum die friedlich und neugierig lebende Giraffe nicht unter dieser Gruppe zu finden ist.
Es waren unfassbar schöne und ereignisreiche 4 Wochen im Rusermi Bush Camp. Man gewöhnt sich sehr schnell an das Leben im Busch und beginnt sehr schnell sich in diesem zu verlieren. Ich habe jeden einzelnen Tag sehr genossen und hatte tolle Leute um mich herum, auch wenn ich mir noch mehr internationaleren Austausch gewünscht hätte. Klar gab es auch ein paar kleinere Kritikpunkte, wie der allgemeine Zustand der Unterkunft oder die Sauberkeit vor Ort, aber das gehört einfach irgendwie mit dazu und man muss seine keimfreie Blase, welche man vielleicht aus Deutschland kennt, einfach ein stückweit verlassen. Ich kann es nur jedem empfehlen, selber solch eine Erfahrung zu sammeln, da einen diese Erfahrung nachhaltig prägt und unglaublich bereichert. Ich werde auf alle Fälle zum Wiederholungstäter und wer weiß, vielleicht begegne ich dann einem von Euch in Afrika oder sonst wo auf unserer schonen Welt.